PUR

Im Gespräch mit dem Team von PUR

PUR entstand aus einer Zusammenarbeit zwischen dem Toihaus Theater Salzburg und der Schule am Glanbogen, einer Schule für Kinder und Jugendliche mit Körperbehinderungen und komplexen Beeinträchtigungen. Über ein halbes Jahr haben sich die Toihaus Künstlerinnen mit den Schüler:innen und deren Betreuer:innen getroffen und durch Musik und Tanz zusammengefunden. Nach der abschließenden Aufführung im Toihaus am 21. Juni 2024 folgte ein Interview mit Felicitas Biller, Anna Bárbara Bonatto, Jordina Millà, Katharina Schott und Yoko Yagihara vom Toihaus Theater und dem Schulleiter der Schule am Glanbogen Thomas Urschitz.

 

Wie ist PUR entstanden und wer ist beteiligt?

Felicitas: Beteiligt ist das Toihaus Theater, also die Tänzerin Anna Bárbara Bonatto und die Musikerinnen Jordina Millà und Yoko Yagihara. Katharina Schrott ist die Leiterin des Projekts, Ilja Bayerl ist für die Videodokumentation punktuell mit dabei, ich hatte die Funktion den Überblick zu behalten, zu kommunizieren und koordinieren sowie das Projekt schriftlich zu dokumentieren. Und dann natürlich die Schule am Glanbogen, mit Thomas als Schulleiter und den ganzen Schüler:innen und Betreuer:innen bzw. Lehrer:innen, die dort arbeiten. Entstanden ist es, als wir eine Spieltöne-Vorstellung in der Schule hatten. Wir haben zweimal gespielt und in der Pause hatte Yoko eine Vision: Erst muss das Licht innen bei uns sein und dann geht es auf die Schüler:innen. Da entstand die Frage, ob man nicht ein gemeinsames Projekt machen könnte.

Yoko: Eine ähnliche Vision hatte Katharina schon bereits bei dem Stück „Himmelbunt“.

Katharina: Ganz ursprüngliche habe ich mir die zwei Projekte immer als eines vorgestellt, aber im praktischen Ablauf eines Theaters geht das nicht. Es gibt Berührungspunkte und als Yoko zu mir meinte, wie erfüllt und schön dieser Zwischenraum zwischen den Kindern und Jugendlichen und den Betreuer:innen ist, da hat sich das getroffen. Und dann haben wir mit dem einen angefangen und dann mit dem anderen weitergemacht.

Thomas: Für uns als Schule war das eine Überraschung, eine schöne Überraschung! Das, was wir täglich manchen, was für uns irgendwie normal ist, was eigentlich wenig gesehen wird, und dann kommt jemand von außen und sieht es und sagt: Das ist etwas ganz Besonderes, was ihr da so tut. Das war für uns eine große Ehre und da wollen wir auf jeden Fall mitmachen. Den Kindern machen die Vorführungen, die sie am Toihaus sehen, immer eine große Freude und etwas gemeinsam mit dem Toihaus zu machen, war natürlich eine große Chance.

 

Wie war der Ablauf des Projekts?

Katharina: Wichtig war uns, dass das Projekt über einen längeren Zeitraum stattfindet. Das musste man gut koordinieren, aber das war eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung. Deshalb haben wir auch bereits im Jänner mit PUR gestartet. Und das andere, was sehr wichtig war, war die Rolle die Betreuer:innen und Assistent:innen, also dass ihnen im Projekt ein extra Raum gegeben wird.

Anna Bárbara: Das war für mich an diesem Projekt auch sehr neu. Gerade am Anfang braucht man Zeit, um hineinzufinden. Zu Beginn konnte ich noch nicht gleichzeitig mit mehreren Kindern interagieren und musste erst alle Kinder kennenlernen, jedes Kind ist auch so einzigartig. Man muss in Kontakt kommen, sich kennenlernen und herausfinden, wie jedes Kind reagiert, das hat wirklich viel Zeit gebraucht. Mir kommt es so vor, dass wir im Laufe der Zeit ein System geworden sind. Der offene Fokus ist nur möglich gewesen aufgrund der Zusammenarbeit von den Erwachsenen und den Kindern und durch die ständige Wiederholung. Wir haben auch gemerkt: Die Kinder kommen auch mit. Sie wissen, an was wir arbeiten. Sie wissen auch, wo der Fokus liegt.

Yoko: Jedes Mal, als wir zur Schule kamen, sind die Kinder immer mehr auf uns zu gekommen. Zuerst noch sehr fremd und dann spürt man, dass immer mehr von ihnen zu uns kommen. Dieser lange Weg war richtig. Man braucht Zeit.

 

Wie habt ihr den weiteren Zugang festgelegt, die Aufführung und die Disziplinen ausgewählt?

Katharina: Oft sind Schulprojekte so, dass die Schüler:innen auf die Bühne kommen und zeigen, was sie alles gemacht haben. Mir war wichtig, dass die künstlerische Kraft auf die Bühne kommt – präsentiert durch die Künstlerinnen.

Felicitas: Die Aufführung war auch nicht das Ziel, sondern die Konsequenz aus dem Projekt. Durch die zwei Toihaus Musikerinnen hat PUR einen musikalischen Schwerpunkt, da man durch Musik einen sehr direkten Zugang hat, ein Medium, mit dem man sehr gut viele Menschen erreicht. Und dann waren es von Mal zu Mal immer mehr Schüler:innen, die bei PUR mit dabei sein wollten, als sie gemerkt haben, sie müssen nichts spielen, sondern können einfach so sein, wie sie sind.

Katharina: Ich finde, Musik und Tanz haben sehr gut zusammengepasst. In PUR hat der Tanz seine volle Wirkung gehabt. Und seine volle Sprache.

 

Wie habt ihr die Zusammenarbeit erlebt?

Thomas: Ich persönlich habe es als unglaublich bereichernd erlebt. Der Blickwinkel der Kunst auf uns, auf unsere Arbeit. Es waren ja Kolleg:innen, die von Anfang an gesagt haben, ja, da bin ich dabei. Da sind dann manche wieder ausgestiegen, andere dazugekommen. Auch das hat sich laufend verändert. Ich habe es auch für die Kolleg:innen unglaublich bereichernd gefunden, die sich auf die nähere Arbeit mit euch eingelassen haben, weil sie extrem viel lernen konnten. Also das, was ihr angesprochen habt, der Kontaktaufbau, dass das seine Zeit braucht. Ich finde, das ist trotz allem, auch wenn es euch lange vorgekommen ist, sehr, sehr schnell und organisch von sich gegangen. Und ich denke, dass ihr so einen Raum geschaffen habt. Der Raum hat sich deshalb so schnell geöffnet, da keine große Absicht dahinter war, kein großes Ziel. Gezählt hat, dass wir so sind, wie wir sind und was wir daraus machen. Ich glaube, das haben einerseits unsere Schüler und Schülerinnen gespürt, deshalb auch so schnell Vertrauen aufgebaut und sich sehr schnell wohlgefühlt. Und andererseits auch die Kolleginnen und Kollegen, für die gilt genau das Gleiche. Und wir arbeiten ja so viel mit Fragestellungen wie: Was ist das nächstes Entwicklungsziel? Wir fragen die Eltern, was sie wollen, dass die Kinder als nächstes schaffen. Das war hier mal ganz weg. Es ist nicht ums Werden gegangen, sondern ums Sein. Und das hat sehr viel bewirkt bei denen, die mit dabei sind, aber auch bei denen, die sich die Aufführung jetzt angeschaut haben. Und das wird sicher noch ganz lang in uns nachwirken. Vielen Dank für die tolle Zusammenarbeit.

 

Wie ist der Name PUR entstanden? Was bedeutet PUR?

Katharina: Das war der erste Kommentar von Yoko, wie sie von dieser Schönheit berichtet hat, die sie gesehen hat zwischen den Betreuer:innen und den Kindern und Jugendlichen. Sie hat zu mir gesagt: Das war so pur. Das habe ich mir gemerkt. Das war dann die Basis. Für mich sind das mutige Projekte, in dieser Purheit Dinge auf die Bühne zu bringen, weil oft die Bühne dazu verleitet, in ein Leistungsdenken zu verfallen. Und mit Yoko als Führende, die alles mitgezogen hat, ist das sehr erfolgreich gewesen, weil es nicht dem Druck der Bühne nachgegeben hat, sondern pur geblieben ist und die Kraft aus dieser Unverfälschtheit geschöpft hat.

 

Mit welchen Elementen habt ihr hauptsächlich gearbeitet?

Felicitas: Die Frage der Kommunikation war ganz zentral.

Jordina: Ja, das ist ganz speziell. Auch wie Kommunikation passieren kann. Manchmal gibt es kein ausgesprochenes Ja oder Nein. Manchmal muss man hören und sehen, ob etwas gut ist oder eben nicht. Auch mittels der Musik, wenn du spürst, dass es gut ist, gut läuft, guttut. Zu machen und zu schauen, anderen zuzuhören.

Yoko: Ganz genau, Kommunikation und Vertrauen. Ich habe zum Beispiel Jordina vertraut, obwohl wir das erste Mal zusammengearbeitet haben. Das Vertrauen ist eine Grundbasis. Gerade in dem Moment, wenn ich von der Musikbasis weggehe, da muss ich jemanden vertrauen, diese Basis tragen zu können.

Katharina: Was mir auch sehr imponiert und gefallen hat, ist die Unvoreingenommenheit, mit der bei den ersten Malen herausgegangen wurde. Das war genau das Richtige und sehr wichtig.

 

Habt ihr bestimmte Materialen eingesetzt?

Felicitas: Wir hatten geplant, mit Tüchern als verbindendes Material zu arbeiten, aber das hat einfach nicht funktioniert, es war nicht pur und deshalb ist es ganz schnell wieder rausgeflogen. Wir haben während des Projekts viel reflektiert und uns immer wieder abgestimmt, was gut funktioniert und was es noch braucht.

Yoko: Was funktioniert und was nicht funktioniert einerseits, aber andererseits auch was schön ist und was nicht schön ist. Das war der andere Punkt. Das war dann einfach eine intuitive Entscheidung, von wo die Ästhetik und die Schönheit von den Personen kommt. Man kann schon etwas funktionieren lassen, aber darum ging es ja nicht. Wir wollen zum Puren und zur Schönheit.

Felicitas: Wir haben viel beobachtet und geschaut, was von den Kindern kommt.

Anna Bárbara: Diese Schönheit, diese Beziehung, diese Freundschaft, das ist dann das, was auf der Bühne ist. Das ist die Stärke in dieser Dynamik.

Thomas: Nochmal um Thema Tücher. Ihr habt ja das Rutschtuch verwendet, mit dem man aus dem Rollstuhl rauskommt. Das ist etwas, das wir im Alltag verwenden. Diese Szene war auch unglaublich schön und stark. Wie dieses Tuch zu Einsatz kommt, wie die Lehrerin den Transfer macht und sie mit dem Hocker am Boden ist und in Interaktion tritt. Das war sehr schön.

Felicitas: Es waren nur Materialen auf der Bühne, die wir auch verwendet haben, seien es die Stühle, aber auch das Kuscheltier, was immer die Begleitung des einen Kindes ist. Nur solche Materialen gab es, keine Requisiten oder Schminke oder irgendetwas.

 

Wie geht es weiter, welches Nachwirken gibt es?

Thomas: Wir hoffen, dass das irgendwie weitergeht mit euch. Wir wollen euch unbedingt immer wieder bei uns haben. Es wird von unseren Ressourcen her natürlich nicht mehr so intensiv gehen, aber die Beziehung, die da aufgebaut worden ist, und diese Momente bei den Kindern möchten wir beibehalten.

Katharina: Man nimmt aus diesen Begegnungen künstlerisch sehr viel mit. Fernab, ob es fortgesetzt wird oder nicht, wird PUR in allen rattern und etwas bewegen. Und es ist ein tiefergreifendes Erlebnis auch für diejenigen, die zugesehen haben.

Felicitas: Also gerade Theater ist ja in gewisser Weise fiktiv, aber dann auch real. Wir projizieren damit Möglichkeiten in die Zukunft. Was und wie wir Dinge formen, trägt sich weiter. Und ich glaube, das hat eine ganz große Kraft. Weil man dann auf einmal Sachen sieht, Dinge sichtbar macht. Die Bühne ist heute rausgedrungen bis auf die Franz-Josef-Straße und gestern sozusagen bis nach Korea gefahren, denn bei der Vorstellung in der Schule war zeitgleich ein Besuch aus Korea vor Ort, der sich mit inklusiven Schulformen beschäftigt. Sie waren unser Publikum und waren auch total beeindruckt.

 

Gibt es denn schon irgendwelche Rückmeldungen der Eltern?

Thomas: Ich weiß nicht, ob ich alles mitbekommen habe, aber ich habe mich ein paar Mal ins Publikum gedreht und habe gesehen, wie berührt die Eltern sind. Es gab auch direkt Rückmeldungen danach. Für die Eltern war das ein ganz besonderes Erlebnis, ihre Kinder auf der Bühne zu sehen, im Rampenlicht zu sehen als jemanden, der reich ist. Vielen Dank. Es gibt normalerweise mit den Kindern eher die gegenteilige Erfahrung. Überall werden sie wie kleine Mängelexemplare behandelt, wofür man nur dieses und jenes von medizinischer Seite brauche. Was ja auch wichtig ist. Aber die Kinder so zu sehen, tanzend auf der Bühne. Da waren auch Kinder dabei, von denen wir uns das nie und nimmer vorgestellt hätten. Es sind einfach ganz tolle Momente entstanden, die den Eltern sicher in Erinnerung bleiben und uns natürlich auch.

 

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