Toihaus Produktion „Blinds“ –
Im Gespräch mit Cornelia Böhnisch
Was kann man sich unter „Blinds“ vorstellen, was macht „Blinds“ aus, was ist das Thema von „Blinds“?
Ich gehe schon seit einigen Produktionen vom Raum und von der Installation im Raum aus und so ist es auch bei „Blinds“. Begonnen hat es damit, fünf Meter lange Vorhangbahnen aufzuhängen und sie so zu verseilen, dass sie beweglich sind. Wir werden in „Blinds“ sehen, wie sich der Raum ständig verändert, wie sich Räume auftun, wieder verschließen, wie das Licht mit den Vorhängen spielt – und wie die Tänzerinnen sich und diese Vorhänge rhythmisch zueinander bewegen.
Wie bist du auf die Idee gekommen, Vorhänge zu verwenden? Was ist deine Inspiration hinter „Blinds“?
Ich wollte schon länger den Raum oberhalb der Menschengrenze bespielen. Bei „Leak“ habe ich schon angefangen, dem Bedürfnis nachzugehen, weiter nach oben zu gehen und auch da Material hinzubringen. So ist die Idee mit den Vorhängen entstanden.
Wie kann man sich den Arbeitsprozess vorstellen? Wie lief dieser für dich ab und dann auch mit dem Team?
Zuerst habe ich angefangen, zusammen mit unserem Techniker Florian Kirchmayr die Vorhangkonstruktion zu konzipieren – er hat dann alles genäht und verseilt. Parallel dazu wurde mit der Materialrecherche begonnen, also welche Art von Stoffen wir nutzen und welche Stoffe wie fallen, welche Stoffe durchscheinend sind, welche nicht. Natürlich auch die Frage danach, welche für den Theaterbereich zugelassen sind, denn die Stoffe müssen natürlich auch feuerfest sein. Das ist alles am Anfang angestanden – und als die Vorhänge fertig waren und wir sie auch im Raum aufgehängt haben, sind die Tänzerinnen dazugekommen. Wir hatten zwei Wochen Proben und Recherchephase angesetzt, um mal zu schauen: Was kann man jetzt mit diesen beweglichen Stoffbahnen alles anstellen? So sind wir draufgekommen: Da kann man sich dazwischen stellen, da kann man Verstecken spielen, da kann man Dinge sichtbar machen, indem man sie vorher versteckt. Erst danach haben wir uns auch noch den passenden Musiker dazu gesucht.
Welche Rolle spielt die Musik in der Installation?
Die Musik hat eine große Rolle, eine große Aufgabe, eine große Verantwortung, weil die Musik immer einen ganz starken Filter darüberlegt. Wenn ich eine sehr fröhliche Musik spiele, dann sehe ich diese Vorhänge auch mit ganz anderen Augen – anders gesagt: Ich höre sie mit ganz anderen Augen. Und wenn ich eine sehr melancholische Musik drüberlege, blicke ich wieder anders darauf. Der Raum ist eine Projektionsfläche für das eigene Empfinden und die Musik hat darin eine große Verantwortung. Die Zusammenarbeit mit Alexander Bauer war sehr gut, weil wir verschiedene Zugänge ausprobieren konnten. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Musik das, was zu sehen ist, in gewisser Weise abbildet, nämlich diese Schichten, die Bewegungen im Raum.
„Blinds“ ist eine ‚Performative Installation‘. War das von Anfang an so geplant oder ist das im Prozess entstanden? Beziehungsweise was kann ich mir unter Performative Installation vorstellen?
2021 haben wir mit „TON“ die erste halbstündigen Performance hier am Toihaus erarbeitet. Mittlerweile sind wir draufgekommen, dass die Bezeichnung „Performative Installation“ eine treffende Genrebeschreibung ist, denn die Arbeiten bewegen sich zwischen Choreografie und Bildender Kunst und erfassen den flüchtigen Moment als Kunstwerk. Die Zuschauer:innen sind durch den Begriff ‚Theater‘ manchmal dazu geneigt, ein Narrativ im Bühnensetting zu erwarten. Das Wording ‚Performative Installation‘ gibt insofern in eine andere Richtung vor, da es den Fokus auf die Resonanz zwischen dem Raum, den Zuschauenden und den Performer:innen setzt – und dadurch verschwimmen auch die Grenzen zwischen wahrgenommenem Subjekt und Objekt.
Wie kam es zum Titel „Blinds“ und was bedeutet der, was sagt er aus?
„Blinds“ ist das englische Wort für ‚Jalousie‘. Der Arbeitstitel für das Stück war „deaf“, also ‚taub‘, weil ich vor zwei Jahren mein Gehör auf der linken Seite verloren habe. Für mich ist das ein bisschen eine Visualisierung von dem, was ich erlebe beim Hören: Es geht hier etwas zu und da geht etwas auf. So entstand die Idee, dass man sozusagen blind ist auf einem Ohr. Schlussendlich kam der Titel dann im Brainstorming mit dem ganzen Team – da haben wir gesagt: „Blinds“, das ist es!
Dann noch eine abschließende Frage. Was bedeutet „Blinds“ für dich persönlich? Was macht es für dich aus?
Für mich war der ganze Arbeitsprozess sehr interessant, weil wir am Anfang diese zwei Wochen Recherchephase hatten, in der ich die drei Tänzerinnen engagiert hatte mit dem Ausblick, dass sie vermutlich nachher nicht zu dritt auf der Bühne stehen, sondern nur zur Recherche da sind. Die drei haben sich dann aber so in die Arbeit verliebt und wollten unbedingt weiter machen – und haben mich dann auch davon überzeugt, dass sie das beste Team dafür sind.
Wir haben dann diese Dreierbesetzung auch beschlossen, obwohl das probentechnisch ein Wahnsinn war und wir kaum gemeinsame Probenzeiten hatte. Wir haben uns dabei gesagt: Mit Ruhe schaffen wir das. So ist das Wort ‚Ruhe‘ in „Blinds“ und in den Prozess reingekommen. Die Arbeiten, die wir am Toihaus seit fünf Jahren machen, sind von Ruhe geprägt, das ist eine Basiszutat. Nicht Ruhe im Sinne von Stille, sondern im Sinne von Kontemplation, Reflexion und Resonanz. Für mich bedeutet „Blinds“, dass alles nochmal verstärkt wird und zusammenkommt. Wir haben oft nur wenig Zeit und deswegen müssen wir uns umso mehr Ruhe nehmen. Das war eine wunderbare Erfahrung und ich hoffe, dass wir sie weitertragen können.
Ein abschließendes Wort zu „Blinds“
„Blinds“ ist dieser Raum, der in ständiger Bewegung ist und dadurch eine Ruhe in einem auslöst.
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