„Nebelweich“ oder das Wesentliche eines Tropfens

Ein Gespräch mit den Choreografinnen Cornelia Böhnisch und Katharina Schrott

Wie war der Arbeitsprozess an „Nebelweich“?
„Nebelweich“ legt einen künstlerischen Fokus auf Flüssigkeiten und flüssige Stoffe. Am Anfang unserer Arbeit haben wir uns intensiv mit verschiedensten Eigenschaften von Flüssigkeiten beschäftigt: Was kann man mit Flüssigkeiten machen? Wie lassen sich Flüssigkeiten z.B. schütten? Wie auffangen? Lassen sich Flüssigkeiten „in Form“ bringen? Wir sind mit unseren Gedanken und Überlegungen auch immer mehr ins Abstrakte gegangen und  haben überlegt: Was könnte für Flüssigkeiten stehen? Wir haben uns mit dem Wesen, dem Wesentlichen eines Tropfens beschäftigt und haben für „Nebelweich“ einen Raum aus  ephemeren Materialien geschaffen: Aus Nebel, aus Tanz und Musik. Wichtige Bestandteile dieser Performance sind auch Objekte aus Ton. Diese sind Schale und Basis zugleich. Für „Nebelweich“ haben wir erneut mit dem Bildenden Künstler Gerold Tusch zusammengearbeitet.

Was hat Euch bei der Arbeit an „Nebelweich“ besonders fasziniert?
Die Bedeutungsvielfalt von Flüssigkeiten und die zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten, wenn man mit ihnen arbeitet. Nebel ist eine Flüssigkeit, nur in anderer Materialität als Wasser etwa. Wenn ich die Hand zu einer Schale forme, wecke ich Assoziationen, etwas aufzunehmen und anzunehmen oder mit leicht geneigter Hand etwas abzugeben und auszuschütten. Gemeinsam mit den Künstlerinnen haben wir viel über diese verschiedensten Bedeutungs- und Bewegungsformen gesprochen. Diese bringen eine tiefe, elementare Wirkungskraft mit. Konvexe und konkave Formen stehen im Zusammenspiel mit fließenden, ephemeren Bewegungsstrukturen. Dies war dann die erste Grundform von „Nebelweich“, die wir schließlich gemeinsam weiterentwickelt haben.

Wie würdet Ihr die künstlerische Sprache in „Nebelweich“ beschreiben?
Für „Nebelweich“ haben wir einen Zoom auf andere Produktionen von uns gelegt und versucht, an manchen Stellen noch mehr in die Tiefe zu gehen: Bei „Im Flatterland“ etwa kommt mit fließenden Stoffbahnen eine erste, flächige Verbindung mit Flüssigkeiten auf. Bei „Der Mond tropft“ haben wir bereits mit Nebel im Zusammenspiel mit einzelnen Objekten experimentiert. Wir merken immer mehr, dass sich in unserer Arbeit eine eigene Handschrift manifestiert und es hat etwas Genussvolles einzelne Aspekte in einem intensiven Recherche- und Nachdenkprozess weiterzudenken und in neuen Kontext zu setzen.

Wie beschreibt Ihr die Verbindung zu barocker Musik? Was waren da Eure
künstlerischen Überlegungen?
Barockmusik ist stark programmatisch und alles hat darin eine Bedeutung. Vielfältige Assoziationen werden geweckt, zudem ist diese Musik sehr verspielt. Die Auswahl mit Stücken von J. H. Schmelzer und G. P. Telemann ergänzt sich gut und lässt vor allem Interpretationsspielräume zu, die wir im Zusammenspiel mit dem Tanz bewusst ausgekostet haben. Das ganze Stück wird von der emotionalen Wirkung dieser Musik getragen, diese steht auch stark im Vordergrund. „Nebelweich“ ist ein sehr tänzerisches Stück. Wie würdet Ihr die Ästhetik aus der Performance-Perspektive beschreiben? „Nebelweich“ reduziert Tanz auf seine pure Essenz. So rundet sich etwa ein ablösender Wassertropfen noch einmal stark, bevor er fällt. In diesem Kippmoment und Augenblick der Transformation entsteht eine unglaubliche Mikro-Dynamik. Diese Bewegung kann aber nur in allergrößter Stille wahrgenommen werden. Für uns ein „vollendeter“ Tanz (lacht). In „Nebelweich“ treffen verschiedene Zeit- und künstlerische Genreebenen aufeinander: Performance und Barockmusik begegnen sich in einem inspirierenden Zusammenspiel. Die Verspieltheit barocker Musik verbindet sich mit der Klarheit und Reduktion zeitgenössisch tänzerischer und performativer Bewegungen. Gemeinsame Formen gehen über in Soli, die sich wieder zu einem großen Ganzen formieren.

 

Fotos: Siegrid Cain