Im Gespräch mit Performance Fiction-Kuratorin Cornelia Böhnisch

Ein Interview am letzten Festivaltag

Wie geht´s Dir?

(lacht) Naja, etwas k.o. bin ich schon. So langsam fällt die Anspannung der letzten Tage ab. Was aber natürlich überwiegt, ist die Freude über all die Pflänzchen, die wir mit Performance Fiction gepflanzt haben und die während des Festivals zum Treiben, zum Wachsen begonnen haben…

Normalerweise sind wir im Juni am Ende einer Spielzeit mit zirka sechs Premieren. Dieses Jahr ist das anders. Wir hatten diese Spielzeit kaum echten Kontakt mit unserem Publikum und rauschen jetzt in der Intensität rauf von 0 auf 100. Mit einem Programm, das den Juni eigentlich sprengt, feiern wir die Wiedereröffnung der Kulturstätten. All das Arbeiten im Hintergrund, das durch den Lockdown oftmals auch sehr frustrierend war, bekommt nun wieder eine Plattform. Das tut allen Beteiligten gut und bringt Ausgleich. Nach den vielen verschobenen Premieren und dem Produzieren ohne Premierentermin sind wir alle jedoch auch müde. Umso schöner ist es daher zu sehen, was Kunst bewirken kann. Der überwiegende Anteil unseres Publikums sind Kinder zwischen 0 und 8 Jahren. Wenn ich sie bei der Vorstellung beobachte, wie sie einer Tänzerin gebannt zusehen, während diese einen Klumpen Ton mit Wasser vermischt (in der Produktion „Ton in Ton“, Anmerkung), bin ich gerührt. Ich sitze da und nehme diese unglaubliche Energie wahr. Das sind Momente, in denen ich meinen Beruf am meisten liebe.

Was ist Dein persönliches Resümée von Performance Fiction? Was hat Dich besonders bewegt?

Es hat mich glücklich gemacht, dass wir unser Publikum erweitern konnten. Wir haben auf unsere künstlerische Arbeit an sich und im Besonderen auf unsere Arbeit mit und für Kinder aufmerksam machen können. Toll war auch der Austausch mit all den Beteiligten und es sind neue Beziehungen und Netzwerke entstanden … Das lässt sich vor Schluss des Festivals schon mal mit Sicherheit sagen.

Was bedeutet für Dich die Frage „Was kann die Kunst für die Zukunft tun?“

Kunst hat eine sehr große Fähigkeit zu transformieren bzw. transformierende Prozesse auszulösen. Kunst ist immer Trendsetter*in. Wir als Künstler*innen müssen uns dessen bewusst sein und dafür ist diese Frage auch da. Kunst soll nicht instrumentalisiert werden, auch nicht, um eine bessere Zukunft zu schaffen. Aber das Bewusstsein für dieses Potential muss da sein. Wir sollten einfach sehr achtsam sein, welche Trends wir setzen und gut reflektieren, in welcher Zukunft wir leben wollen.

Welche Wünsche hast Du an die Kunst?

Wünsche an die Kunst habe ich eigentlich nicht, aber an die Menschen, die Kunst machen. Ich nehme mich da selbst nicht aus: Manchmal sollten wir uns an der eigenen Nase nehmen, oder wie es so schön heißt: „Vor der eigenen Haustüre kehren“ (lacht) Es ist zum Beispiel für mich fragwürdig, mit dem Flugzeug von Kunstmesse zu Kunstmesse oder von Festival zu Festival zu jetten, dort dann aber vermeintlich klimaaktivistische Kunst zu präsentieren oder mit dieser zu handeln. Ich finde, das ist mindestens genauso bescheuert, wie mit dem Auto ins Fitnessstudio zu fahren, um sich dann dort aufs Fahrrad zu setzen. Ich finde, wir Künstler*innen könnten ein wenig mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen und auch ohne Bestätigung in unserem Künstler-Sein eine Daseinsberechtigung finden. Oftmals setzen wir schon allein durch unsere Anwesenheit inmitten in der Gesellschaft den nötigen Impuls, um andere Blickwinkel aufzuzeigen und das ist wichtig.

Die Vorbereitung auf Performance Fiction war nicht „nur“ organisatorisch. Im Vorfeld wurde auch sehr viel konzeptionell und theoretisch überlegt und gearbeitet. Wie hast Du die Zeit der Vorbereitung empfunden? Gabs für Dich Momente „persönlicher Transformation“? Welche Erkenntnisse hast Du für Dich mitnehmen können?

Der niederschwellige Austausch und Wissenstransfer mit Expert*innen aus den verschiedensten Fachgebieten war sicher eines meiner Highlights bei den Vorbereitungen vom Festival. Ich habe es sehr genossen über meine Arbeit in Kunst und Performance für Kleinkinder und Erwachsene zu reden, meine Erfahrungen zu teilen und an Menschen weiterzugeben, die an der Zukunft arbeiten. Vice versa war es schön, im informellen Gespräch „Wissen abzuholen“ und neue oder andere Standpunkte kennenzulernen. Das Gespräch mit Doris Uhlich etwa hat mir ein paar mehr Augen geöffnet als ich eigentlich habe (lacht). Und auch Andreas Eibl, ein Pilzzüchter aus dem Flachgau hat mich besonders beeindruckt. Das ist gelebte Science Fiction.

Wir haben alle unsere Gesprächspartner*innen eingeladen, unsere Arbeit kritisch unter die Lupe zu nehmen und uns mitzuteilen, was ihrer Meinung nach gut funktioniert und was wir eventuell noch verändern oder verbessern könnten. Dieses Feedback werden wir in nächster Zeit evaluieren und auch für unsere künftige Arbeit mitnehmen. Denn nur durch Fragen wird man klüger. Und es ist toll, Fragen stellen zu dürfen.

Performance Fiction soll wiederkehren … was wünscht Du dir für das nächste Mal?

Dass Performance Fiction so vielfältig und besonders bleibt und nicht einfach ein weiteres Festival in der Landschaft der Festivals ist, sondern, dass dieses „Myzel Toihaus“ mit seinem „Fruchtkörper Performance Fiction“ weiter sprießt und gedeiht.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Bildcredit: Studio Fjeld

 

Cornelia Böhnisch ist seit Herbst 2018 künstlerische Co-Leiterin des Toihaus Theaters Salzburg, sucht in ihren Choreographien nach der „Präzision in der Unschärfe“: unbekannte Bilder, die schemenhaft aus dem Dunkeln hervorleuchten. Dabei treffen Raum, Musik, Bewegung und Material aufeinander, verdichten sich zu neu begangenen Landschaften. Egal ob für Kinder oder Erwachsene, eine Idee muss in der Arbeit von Cornelia Böhnisch etwas Unmögliches in sich tragen: Techno komponiert aus Wassertropfen, einen gigantischen Kleiderberg tanzen zu lassen, den Mond zum Tropfen bringen. Und hierin manifestiert sich die treibende Kraft ihrer künstlerischen Auseinandersetzung: Das kindliche Sinnen nach Gerechtigkeit, nach erhoffter Heilung und Rettung. In der Hölderlin- Stadt Tübingen geboren und aufgewachsen, lernte Cornelia Böhnisch bereits als Kind Geige und Klavier, studierte zeitgenössischen Tanz am Bruckner Konservatorium in Linz und war 2010/11 als Auslandsstipendiatin des österreichischen Bundesministeriums für Kunst und Kultur in Berlin und Tokyo; es folgten mehrere Aufenthalte in Japan, deren Kultur die Betrachtungen und Fragestellungen von Cornelia Böhnisch nachhaltig prägen.