Die Choreografinnen des Toihaus Theaters, Cornelia Böhnisch und Katharina Schrott, leiteten im Rahmen von Impulstanz in Wien am 26. und 27. Juli den Workshop „Dancing Material / Material Dance“. Darin erkundeten sie die dynamische Beziehung zwischen Bewegung und Materialien. Gearbeitet wurde mit Methoden der Feldenkrais-Lehre, somatischer Improvisation, Materialerforschung und choreografischem Design.
Im Gespräch berichten die beiden von ihren Eindrücken aus dem Workshop und von der Rolle, die die Feldenkrais-Methode auch in ihrer künstlerischen Arbeit am Toihaus spielt.
Euer Workshop hatte den Titel „Dancing Material / Material Dance“.
Was kann man sich darunter vorstellen?
Katharina Schrott: Ich finde den Titel sehr treffend: Dancing Material bedeutet, dass das Material selbst tanzen kann. Material Dance ist die Umkehrung – dass man mit dem Material tanzt. Die Grundlage war, dass man den Tanz der Dinge sehen, beobachten und selbst anleiten kann.
An wen richtete sich der Workshop, und wie war er aufgebaut?
Cornelia Böhnisch: Der Workshop war Open Level, also für alle – von Laien bis Profis. Katharina begann jeweils mit einer Feldenkrais-Session, die alle Sinne öffnet. So entsteht ein Bewusstsein für kleinste Bewegungen und deren Wirkung im Körper. Dieses Prinzip haben wir anschließend auf mitgebrachte Materialien übertragen.
Katharina, magst du die Feldenkrais-Methode kurz erklären?
Katharina Schrott: Die Methode wurde von Moshé Feldenkrais entwickelt. Sie ist eine Bewegungslehre, die die Zusammenhänge des Bewegungsapparats erfahrbar macht. Im Liegen arbeitet das Nervensystem anders, man kommt aus gewohnten Mustern heraus und kann Bewegungen bewusster beobachten. Kleine Bewegungen entwickeln sich nach und nach zu größeren.
Das passt wunderbar zu Materialien: Auch den Körper kann man als „Material“ betrachten. Feldenkrais bedeutet im Kern „Bewusstheit durch Bewegung“. Für Workshops ist das ideal, weil der Blick von innen nach außen geht. Besonders spannend war diesmal, dass es keine Partner:innenarbeit gab – jede:r konnte ganz für sich arbeiten und sich konzentrieren.
Welche Erfahrungen habt ihr während des Workshops gemacht?
Cornelia Böhnisch: Es war ein Intensiv-Workshop, jeweils fünf Stunden pro Tag an einem Wochenende. Die Räume bei Impulstanz sind beeindruckend und haben uns inspiriert, Materialien ganz neu zu betrachten. Zum Beispiel: Wie viel Raum gebe ich einem winzigen Fussel, sodass er in dieser Größe trotzdem sichtbar und als Tanz wahrgenommen wird? Der Austausch mit internationalen Teilnehmenden war ebenfalls sehr bereichernd, besonders zu beobachten, wie unterschiedlich Menschen mit Materialien umgehen.
Konnten sich die Teilnehmenden gut auf die Methode einlassen?
Katharina Schrott: Ja, absolut. Für mich war überraschend, dass wirklich Menschen aller Erfahrungslevels vertreten waren – und die Methode bei allen funktioniert hat. Bei Feldenkrais kann jede:r mitmachen und etwas empfinden. Auch die Materialien waren sehr einfach: ein Tuch, ein Fussel, rhythmische Sportbänder. Erst kommt der Spaß am Material, dann das Suchen nach Effekten – und daraus entsteht etwas. Wir bekamen das Feedback, dass man im Wenigen schon sehr viel sehen kann. Der Tanz der Materialien allein erzählt schon viel.
Cornelia Böhnisch: Da findet sich auch diese Ruhe wieder, die wir da reingebracht habe. Und das war in diesen großen Räumlichkeiten toll zu spüren, vor allem wenn viele Menschen interagieren. Es ist eine schöne Stimmung entstanden, die ein gemeinsames Explorieren ermöglicht hat. Das ist wichtig, denn im Ausprobieren des Zusammenspiels von Raum, Material und Mensch können Dinge entstehen, die man sich vorher noch gar nicht vorstellen kann.
Wie versteht ihr das Verhältnis von Material, Körper und Musik?
Cornelia Böhnisch: Für uns ist das eigentlich eins. Ich gebe gern das Beispiel eines Wassertropfens, der auf eine Wasseroberfläche fällt – das ist gleichzeitig Tanz und Musik. Genauso bei den Materialien: Alles sind Schwingungen, wir machen da keinen Unterschied. Wenn ich einem Fussel im Wind zusehe, höre ich innerlich ein Geräusch. Auch Stoffe erzeugen Töne, wenn sie sich bewegen. Bei unserer Performance Tilting Moment brauchten wir deshalb keine zusätzliche Musik – das Material selbst war Musik genug.
Was würdet ihr Tänzer:innen mitgeben, die mit materialbasierten oder somatischen Ansätzen arbeiten möchten?
Cornelia Böhnisch: Zeit nehmen. Oft geht man zu hektisch an Materialien heran. Lass das Tuch einfach mal zu Boden fallen – und beobachte, wann es wirklich liegt. Unsere Kunst funktioniert genau deswegen für jede:n: für Kinder und Erwachsene, für Profis und Laien.
