Ein Gespräch mit Felicitas Biller und Jan Leitner.
Felicitas Biller ist seit 2019 Dramaturgin am Toihaus Theater und unterstützt das Team mit ihrem Sprachgeschick, ihrer Gabe zur genauen Beobachtung sowie ihrer Sorgfalt und Weitsicht. Der österreichische Künstler Jan Leitner arbeitet auf dem Gebiet der Klang- und Konzeptkunst. Seine Musik war schon in den Toihaus Produktionen „Leak“, „Die lachende Füchsin“, „Ton“, oder „Heilige Wildnis“ zu erleben.
Was verbindet ihr generell mit Rauschen?
Felicitas Biller: Für mich überlappt sich beim Rauschen Auditives mit Visuellem. Da ist einmal das Geräusch wie die Frequenz eines Sendemasts und dann das Flimmern wie an einem Bildschirm. Das Rauschen hat auch etwas von einer Verzerrung.
Jan Leitner: Wenn ich an Rauschen denke, dann ist es in gewisser Weise so ein kleiner Moment in einem Alltag für mich. Ich verbinde es schon meistens mit einem Ort und irgendeiner Form von individuellen Situationen, wie beispielsweise am Meer.
Wie findet sich der Titel in der performativen Installation wieder?
Felicitas Biller: Das ist interessant, weil jeder im Team ein unterschiedliches Grundverständnis von Rauschen hat und deswegen das Rauschen auch in unterschiedlichen Dingen sieht. Für mich zeigt sich das Rauschen in der Performance in Momenten der Abweichungen in den gemeinsamen Bewegungen der Performer:innen, die sanft oder nur unmerklich sichtbar werden.
Bei dieser Perfomance liegt der Fokus nun auf die Arbeit mit Gymnastikbänder. Warum fiel die Wahl auf dieses Material?
Felicitas Biller: Am Toihaus verwenden wir unterschiedliche Materialien und setzen sie in einen neuen Kontext. Damit zeigen wir das Potenzial, das in dem Material steckt und nicht nur, wie man es gewöhnlich gebraucht. In der Performance „Himmelbunt“ haben wir die Bänder zum ersten Mal verwendet. In „Flow“ wurden sie vor allem in Betonung von ihrem textilen Charakter gezeigt. In der Abendproduktionen „Rauschen“ setzen wir uns nochmal tiefer damit auseinander und zwar nicht so sehr hinsichtlich deren visueller Qualität, sondern vielmehr auf der klanglichen Qualität der Bänder.
Jan, wie war für dich das Komponieren? Wie sieht so ein Prozess für dich aus?
Jan Leitner: Der Prozess ist kein klassischer. Ich bin aus der Generation Computer und komponiere nicht am Papier in linearer Abfolge, sondern arbeite mit vielen digitalen Tools, die von einem linearen Denken über Musik losgelöst sind. Da gibt es dann tausende Schleifen und dann improvisiere ich wieder etwas drüber. Es kommt somit zu einer Art Verfremdung von dem ursprünglichen Material.
Worin spiegelt sich das Rauschen in der Musik wider?
Jan Leitner: Ich bin immer sehr fasziniert davon, was man mit sehr einfacher Harmoniesprache machen kann, wenn man es dann digital verfremdet. In diesem Prozess geht es darum, einfache Harmonien zu nehmen und so zu bearbeiten, dass es so kaputt und destruktiv wird, dass man vielleicht nicht mehr erkennt, was vorher war. Und das ist dann der Startpunkt für was Neues. In dem Fall bin ich auf jeden Fall ein großer Freund von Verzerrung.
Es gab bei einer Toihaus-Produktion selten so viele Performer:innen auf einmal auf der Bühne. Bei Rauschen sind es sechs Tänzer:innen. Was sind Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten von der Abendproduktion zu Performances aus dem aktuellen Repertoire?
Felicitas Biller: Ein Unterschied ist das Raumfüllende. Bei „Blinds“ haben die Vorhangbahnen den Bühnenraum stark ausgefüllt, bei „Rauschen“ sind die Gymnastikbänder doch sehr schlank. Dafür wird der Raum durch die sechs Performer:innen, die die Bänder bewegen, fast bis zum Maximum ausgefüllt. Eine Gemeinsamkeit ist definitiv die Ruhe, die sich in beinah allen Performances finden lässt. Also nicht explizit die Ruhe, die gezeigt wird, sondern ein Gefühl, das sich beim Betrachten einstellt. Das bringt eine gewisse Entspanntheit mit sich.
Wie war die Entwicklung des Probenprozesses für euch?
Jan Leitner: Ich finde es spannend zu sehen, welche Sprünge man in so einer Entwicklung machen kann. Oft steht man im Prozess an, weil die Energie fehlt – und nach einer Pause geht plötzlich wieder vieles weiter, was zuvor nicht möglich schien. Diese Dynamik fasziniert mich sehr. Entscheidend ist, wie Proben zeitlich gesetzt sind, was in den Zwischenräumen passiert und wie dann alles wieder als Gruppe zusammenkommt. Die Arbeit in Probenblöcken empfinde ich dabei als sehr angenehm: Sie nimmt Druck raus und schafft Raum, den Prozess sacken zu lassen und mit frischem Blick weiterzumachen.
Was kann sich das Publikum aus der performativen Installation mitnehmen?
Felicitas Biller: „Rauschen“ ist eine Reise zu sich selbst. Wir arbeiten sehr stark mit Wiederholungen und mit Reduktion. Ich glaube, das kann Räume in einem selbst öffnen. Die Performance lädt dazu ein, zu verweilen und zu schauen, was es in einem auslöst, ohne sofort agieren zu müssen.
