Cornelia Böhnisch zu „Leak“

Ein Spaziergang für die Ohren

Gespräch mit der Choreografin Cornelia Böhnisch zur Performance „Leak“

Wie ging/ geht es dir im Arbeitsprozess?

Die Arbeit an „Leak“ ist sehr intensiv und tiefgehend. Wenn man mit dem Material Wasser probt, ist man am Abend oft total ausgelaugt – das liegt an der Natur des Elements. Jede*r kennt das: Wenn man den ganzen Tag am Strand verbracht hat oder den ganzen Tag im Wasser war, fühlt man sich auf der einen Seite angefüllt und auf der anderen Seite ausgelaugt. So waren und sind auch die Tage bei den Proben: erfüllend und inspirierend, aber auch intensiv und erschöpfend.

Wie kam es dazu, dass bei „Leak“ nur mit einem Material, dem Wasser, gearbeitet wird?

Fokus, Fokus, Fokus – das Bedürfnis sich auf etwas zu fokussieren. Und im Material Wasser steckt so viel. Es ist so einfach und trotzdem so vielschichtig. 

„Leak“ ist die Fortsetzung der Produktionen „Ton“ und „Tilting Moments“. Welche Entwicklungen oder auch Schnittpunkte sind zu erkennen?

Die drei Produktionen verbindet der Mut zum Minimalismus. Und die große Erkenntnis aus „Ton“, dass man die Zuschauer*innen in nur einer halben Stunde beruhigen und vom Alltag entfernen kann. Diese führten wir in „Tilting Moments“ fort und wagen es jetzt auch in „Leak“ mit einem anderen Material an dieser Erkenntnis zu arbeiten.

Was bedeutet „Leak“ für dich?

Weinen und Regen sind ganz essenzielle Dinge in meinem Leben, denen ich sehr nahestehe und keine große Abneigung gegenüber habe. „Leak“ bietet die Möglichkeit, diese beiden Dinge genauer zu betrachten. Der Moment, bevor man anfängt zu weinen, der Moment, in dem das Wasserfass überläuft, ist immer ein kurzer Moment der Entscheidung und des Schmerzes. Beim Weinen spürt man so eine Anspannung in der Kehle. Vor dem Regen gibt es einen Moment der Stille und dann die Entspannung. Das genauer zu untersuchen und unter die Lupe zu nehmen, macht „Leak“ für mich persönlich aus. Und auch meine Liebe zu den Tränen und dem Regen zu teilen.

„Leak“ ist eine Somatic Experience, was bedeutet das?

Bei den Somatic Experiences gibt es Körperübungen, die man aus dem Feldenkrais oder der Alexander Technik sowie dem Body-Mind Centering kennt. Mit diesen Methoden kann man bestimmte Erfahrungen evozieren und genauso sollen unsere Stücke funktionieren. Erfahrungen, die man macht, beeinflussen den Körper und den Geist. Die Somatic Experiences beinhalten meistens auch einen Heilungsaspekt, das Erlebte wühlt einen nicht zusätzlich auf, sondern man öffnet sich und entspannt. Man wird angestoßen, in eine bestimmte Richtung zu gehen, die vielleicht eine andere ist als die bisherige. Es ist eine Anregung, andere Erfahrungen zu machen. Zum Beispiel: Wie kann ich mein Bein anders anheben? Oder: Kann ich mich anders hinsetzten, wie ich mich sonst immer hingesetzt habe? Vielleicht gibt es Wege, die weniger anstrengend sind. Genau so sehe ich unsere Stücke in dieser Reihe –  und auch bei „Leak“ gibt es für das Publikum nicht nur Denkanstöße, sondern Fühlanstöße.

„Leak“ ist ein Spaziergang für die Ohren und ein Hören mit den Augen…

Genau! Es gibt diese Fühlanstöße, die eigenen Sinne anders einzusetzen. Ich habe vor kurzem wieder die Erfahrung gemacht, dass man bei Dunkelheit den Bach viel lauter rauschen hört. Oder vor zwei Jahren habe ich auf meinem linken Ohr das Gehör verloren – und diese Balance der Sinne ist so faszinierend. Mit welchem Sinn kann ich den Hörsinn ersetzen? Durch den Geruchssinn oder den Geschmackssinn oder auch den Tastsinn? Bei „Leak“ wird man angeregt, nicht diesen eingespurten Weg zu gehen, nicht immer mit den Augen zu sehen. Es ist eine Art Gedankenexperiment: Kann ich mit den Ohren sehen oder mit der Nase spüren?

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